200 Jahre DMS Herbst. Die Geschichte eines Familienunternehmens inmitten von Industrialisierung und Wirtschaftswunder

Der Detmolder DMS-Betrieb H. E. Herbst feiert 2016 sein 200. Firmenjubiläum. Ein Rückblick auf die bewegende Firmengeschichte gleicht einer Zeitreise durch die Epochen der Industrialisierung und des Wirtschaftswunders.


Zeit also für die Erzählung eines Stücks (DMS-)Geschichte

1816. Ein kaltes, hartes »Jahr ohne Sommer«, wie es in historischen Aufzeichnungen heißt. Die Deutschen frieren und haben Hunger. Mittendrin Johann Berend Herbst, der seinen Lohn als Fuhrmann verdient. Mit Pferd und Kutsche transportiert er nicht nur Hausrat, Getreide oder Steine, auch pflügt er Äcker für die lokalen Bauern. Herbst ist sich für keine Arbeit in diesen rauen Jahren zu schade. Und legt dabei den Grundstein für ein Unternehmen, das die nächsten 200 Jahre fortbestehen und stetig wachsen soll.

2016. Bereits in sechster Generation als Familienunternehmen geführt, gehört H. E. Herbst zu den wichtigsten und modernsten Logistikern in der Region Detmold. Daneben gibt es Töchterunternehmen auch in Berlin, Bielefeld, Gütersloh und Leipzig. Mit rund 100 Angestellten sowie 33 Lastzügen reicht der Aktionsradius des 1816 gegründeten Betriebs bis weit in internationale Gefilde. Wichtige Geschäftsfelder liegen im Umzug für Privatpersonen und Firmen. Zudem bietet H. E. Herbst umfassende Lagerlogistik mitsamt Transport und Güterverkehr. Das Unternehmen floriert.
 

1816 – 1950: Die Industrialisierung prägt das Unternehmen

200 Jahre liegen zwischen den beschwerlichen Anfängen und dem Hier und Heute. Ein rundes und beachtenswertes Jubiläum also, das H. E. Herbst in diesem Jahr feiert. Eines, das auch zum Rückblick in die vielseitige Firmengeschichte einlädt. Denn Geschichte haben die Gründer und Nachfahren der Familie Herbst reichlich erlebt. 

Zurück deshalb zur Gründungszeit, zu Johann Berend Herbst. Die Industrialisierung befindet sich noch in den Kinderschuhen, als Herbst am 23. März 1816 seine nachweislich erste Rechnung für den Transport von zwei Fudern Steine stellt. Zwar hatte nur eine Woche zuvor das erste Dampfschiff den Ärmelkanal überquert. Fuhrmann Herbst ist jedoch noch auf Pferde angewiesen – und seine Muskelkraft. Die Arbeit ist hart und kräftezehrend, so dass Johann Berend Herbst 1827 schon im Alter von 39 Jahren verstirbt.

 

Transport von Steinen, 1837

Auftrag zur Gründung des Unternehmens 1816

Hier schon hätte die Firmengeschichte ihr Ende finden können, wenn nicht Ehefrau Sophie das Geschäft tapfer fortgeführt hätte. Sie ist es, die sich 1931 beim Detmolder Magistrat das nötige Kapital für ein neues Pferd leiht, mit dem der Fuhrbetrieb aufrecht erhalten wird. Witwe Herbst bürgt mit ihrem Vermögen und unterschrieb den Kredit mit drei Kreuzen. Eine gute Entscheidung: Gemeinsam mit Sohn Hermann Adolph führt sie das Unternehmen noch 39 Jahre nach dem Tod ihres Mannes weiter.

Beide erleben die weitere Industrialisierung hautnah. Erste Eisenbahnlinien halten Einzug in die Landschaften, der Elektromotor wird erfunden und Telegraphen ermöglichen erste Fernkommunikation. Aufgrund von Hungersnöten, Arbeitslosigkeit und politischer Verfolgung wandern aber auch Millionen Deutsche zwischen den 1830er und 1860er-Jahren nach Amerika oder Russland aus.
Mobilität ist also schon Mitte des 19. Jahrhunderts ein großes Thema. So verwundert es nicht, dass sich Sophie und Hermann Adolph seit 1847 auch der Personenbeförderung, dem »Omnibusverkehr« zwischen Detmold und Bielefeld mit Pferd und Kutsche, zuwenden. Auch Möbel werden bereits transportiert, der dafür nötige »kleine Möbelwagen« wird aber noch bei der »Möbel-, Spiegel- & Polsterwaren-Fabrik« Carl Beneke angeliehen.

Der Transport von Gütern und Menschen ist sozusagen in die Genetik der »Herbst-Dynastie« eingeschrieben. Ebenso prägend für die Firmengeschichte sind auch immer wieder die entschlossenen Frauen, die mit anpacken, den Betrieb zeitweise alleine fortführen und somit am Leben erhalten. Das tat bereits Sophie, und so tat es auch Sophies Schwiegertochter Wilhelmine Dorothee Charlotte, die nach dem Tod ihres Mannes Hermann Adolph Herbst im Jahre 1877 einen Teil der Arbeitslast auf ihre Schultern nahm.

Soeben im gleichen Jahr (1877) hatte Nikolaus August Otto den Verbrennungsmotor erfunden, das erste ausgereifte Automobil soll aber noch einige Jahre auf sich warten lassen. Und so sind auch Wilhelmine Dorothee Charlotte und ihr Sohn Hermann Friedrich August auf die Körperkraft von Mensch und Tier angewiesen.

 

Reklame 1891

Schlitten im Winter 1942

Nun bereits in dritter Generation das Unternehmen führend, investiert Ernst Friedrich Hermann, Bruder von  Hermann Friedrich August, 1895 deshalb noch umfangreich in »althergebrachte« Transportmittel. Für Schlitten werden zusätzliche 300 Mark, für Pferde und Pferdegeschirre weitere 1.150 Mark, für Kutschwagen sogar 1.300 Mark in Anschlag gebracht.

Erst in den 1920er-Jahren realisiert Sohn Ernst Herbst, dass an der Motorisierung des Unternehmens nichts vorbeiführt. Kurz zuvor hatte der erst 21-jährige den Betrieb von seinem Vater Ernst Friedrich übernommen; er leitet das Geschäft nun schon in vierter Generation.

Die ersten hundert Jahre H. E. Herbst sind bereits verstrichen, die Zeiten werden aber auch für Ernst nicht leichter. Der erste Weltkrieg hatte seine Spuren hinterlassen, die »Große Depression« bezeichnet eine schwere Weltwirtschaftskrise, die auch Deutschland spürbar trifft.

Aber es muss weitergehen. Mittlerweile überqueren Luftschiffe den Atlantik, Großstädte weltweit besitzen U-Bahnen, die Erfindung des Diesel-Motors ist ein weiterer Beleg dafür, dass Automobile fast alltäglich geworden sind. Ernst Herbst erkennt die Zeichen der Zeit und erwirbt 1925 den Führerschein, womit auch die erste Taxe Einzug ins Unternehmen hält. Das bis 1950 wichtige Standbein der Personenbeförderung wird fortgeführt.
 

Ausbruch des Zweiten Weltkriegs

Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verfügt Unternehmer Ernst Herbst über zwei Taxen, von denen eine bald darauf stillgelegt wird. Die andere, ein »Opel Olympia«, erhält Benzin nur für Krankenfahrten sowie Touren zum Entbindungsheim zugeteilt. Herbst steht Tag und Nacht für diese Fahrten bereit. Gleichzeitig wird die Fahrerlaubnis des Spediteurs 1938 erweitert. Dies ist notwendig, da ein Automöbelwagen angeschafft wurde.

 

Umzugsfahrzeug mit Anhänger in den 1950er-Jahren

Neumöbelfahrzeug in den 1970er-Jahren

Das Kriegsende überlebt Ernst Herbst nur kurz. Etwa zwei Monate nach Beendigung der Kampfhandlungen erliegt Herbst einem Herzversagen. Seine Frau Emma steht alleine da, zumal auch der mithelfende Schwager Wilhelm erkrankt. Erst die Beschäftigung zweier Halbbrüder ihres Mannes, die aus dem Krieg heimkehren, bringt wieder die nötige Personenzahl ins Unternehmen. Wieder zeigt sich, wie die Frauen auch in schwierigen Zeiten am Betrieb festhalten und geschickt für dessen Fortbestand sorgen.  

Und besonders nach dem Krieg ist Geschicklichkeit gefragt. So kommt es nach Kriegsende zu einer Beschlagnahme: Am 8. Dezember 1945 muss Emma Herbst den stillgelegten PKW der Marke Mercedes-Benz offiziell an die Militärregierung in Münster übergegeben. Im Gegenzug wird der Fuhrpark in der Folgezeit erheblich aufgestockt. Dabei muss improvisiert werden. Zunächst fehlt es an Treibstoff, so dass anfangs ein Holzkocher zum Einsatz kommt – erst später wird wieder auf Diesel umgerüstet.

Zudem wird getauscht, was eben möglich ist: Eine dringend benötigte Einspritzpumpe ist zum Beispiel nur im Tausch gegen ein Wohnzimmer zu bekommen, das bei einer Detmolder Möbelfabrik beschafft wird.
 

1950 – 2016: Das Wirtschaftswunder und die Globalisierung

Mit der Befriedung und Ausrufung der jungen Bundesrepublik hält dann das »Wirtschaftswunder« Einzug. Wurde die erste D-Mark noch mit der Gestellung einer Hochzeitskutsche im Jahre 1948 verdient, besaß H. E. Herbst 1958 bereits drei Automöbelwagen.

Mittlerweile führt Emmas Tochter Ilse gemeinsam mit Schwiegersohn Martin Brasse (Senior) das Geschäft. Der Schwerpunkt liegt bereits auf der Durchführung von Umzügen und dem Möbeltransport. Bis Ende der 1970er-Jahre transportiert H. E. Herbst beispielsweise Neumöbel für die Lippische Möbelindustrie. Auch setzt die Geschäftsführung bereits auf Kooperationen mit anderen Spediteuren: 1968 ist H. E. Herbst an der Gründung der DMS Deutsche Möbelspedition beteiligt.

 

Firmensitz 1988

Moderner Umzugs-LKW

Der Fuhrpark wächst mit steigender Auftragslage. Zudem sorgen geschickte Zukäufe und Erweiterungen von Grundstücken für den räumlichen Ausbau des Unternehmens. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg war ein Grundstück in Bahnhofsnähe erworben worden, auf dem nach dem Krieg nun ein eingeschossiges Lagergebäude errichtet wird. Im Jahre 1968 beschließt die Geschäftsleitung dann den Ankauf eines Grundstückes im Gewerbegebiet Klingenbergstraße, das noch heute als Firmenhauptsitz dient. Zunächst wird ein Möbellager gebaut, im Jahre 1992 folgt ein hochmodernes Containerlager.

1992. 176 Jahre sind vergangen, seitdem Johann Berend Herbst nachweislich die erste Rechnung für den Transport einer Fuhre Steine stellte. Etliche Jahrzehnte voller Veränderungen: technologisch, wirtschaftlich und politisch.

Die westliche Welt ist nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges zusammengewachsen. Nicht nur die Urlauber verteilen sich wie selbstverständlich über Europa und die Welt – auch die Warenflüsse und damit die Chancen für die Logistiker sind international stark. Das Schengener Abkommen hat längst für offene Grenzen in Europa gesorgt, so dass auch der Güterverkehr in Europa problemlos fließen kann. Der »Eiserne Vorhang« ist gefallen, für eine Spedition ist auch der Osten gut erreichbar.

In sechster Generation erleben die heutigen Geschäftsführer Martin Brasse und Claus Lange seit Beginn der 1980er-Jahre eine nie dagewesene Freiheit für international ausgerichtete Logistiker. Brasse und Lange nutzen die Möglichkeiten, um den Betrieb immer weiter auszubauen.

Umzüge für die Wirtschaft und internationale Organisationen – von Moskau bis Lissabon oder von Oslo nach Neapel – gehören heute zum Tagesgeschäft. H. E. Herbst übernimmt komplette Betriebsverlagerungen inklusive Produktionsanlagen. Für Museen und Schlösser werden Archive und Kunstobjekte transportiert. Umfangreiche Leistungen im Bereich der Lagerlogistik und des Transports sorgen für langjährige Partnerschaften etwa mit BE Bauelemente, einem der international führenden Fenster- und Türenhersteller.

2016. H. E. Herbst existiert seit 200 Jahren. Eine oft steinige, aber sehr erfolgreiche Firmengeschichte liegt hinter dem Familienunternehmen. Und auch in Zukunft soll es erfolgreich weitergehen …
 

Die DMS gratuliert einem der Gründungsbetriebe von 1968 zum 200. Firmenjubiläum.